Aufrechterhaltung, Förderung und Vermittlung der klassischen Reiterei

Dorothee Baumann-Pellny

Die Modellierung des Jungpferdes vollzieht sich sachte. Während Hinterhand- und Rückenmuskulatur kräftiger werden, vermag sich die Remonte bei leichter Anlehnung nun über kurze Reprisen selbst zu tragen, wobei sich ihr Körper der Gleichgewichtshaltung annähert. Um ihre Überanstrengung zu vermeiden, wird ihr Rücken je nach Befindlichkeit noch phasenweise entlastet. Die lockere Tätigkeit von Hinterhand und Rücken spiegelt sich im ruhig geschlossenen Maul und in einem feinen Schaumrand, der die Lefzen wie weißer Lippenstift bedeckt. Nicht die überaktivierten, sondern die gelassenen, harmonischen Bewegungen hinterlassen Eindruck. Aus: "Was die Reitbahn uns lehrt”.


Gelassenheit wird nur dann zur Normalität, wenn ich den entscheidenden Moment nicht verpasse. Hält das Pferd auch im Trab sein Tempo, wird es im Gleichmaß des Takts nach und nach alle Muskeln entspannen. Genau dies ist der Moment, wo ihm stiller Sitz, atmender Schenkel und sanft federnde Hände signalisieren, dass ich mir genau diesen Zustand von ihm wünsche. Nur wenn ich dem Pferd bewusste Signale meiner Entspannung sende, übertrage ich ihm meine Zufriedenheit, die es sofort im Gehirn speichert und auch bei ihm Entspannung auslöst. Besitzt ein Reiter die Genialität, dies seinem Pferd stetig zu vermitteln, wird es sich immer schneller loslassen. Wir sehen ein entspanntes und doch aktiv gehendes Pferd, bei beidseitig gleich feiner Anlehnung. Das Maul ist geschlossen und dessen Tätigkeit beweist feiner Schaum, der die Lippen bedeckt.


Gymnastizierung darf nie zur Zwangsjacke werden. Sie darf nicht schablonenhaft ablaufen, nie den Fleiß verscheuchen, den Rücken brechen, den Gang verderben oder das Maul leblos werden lassen. Nur mit Achtsamkeit bewahre ich freudiges Vorwärts und somit Leichtigkeit. „Was die Reitbahn uns lehrt“.


Seitengänge sind versammelnde Übungen die sich ganz allmählich entwickeln sollen, denn sie sind für das Pferd ein wahrer Balanceakt. […] Erst wenn sich das Pferd im Schrittund Trab losgelassen hat und freiwillig vorwärts geht, wenn es sich im Geradeaus im Genick loslässt und sich auch seitlich in den Ganaschen locker stellt und wenn es sich auf einfachen Bögen seitlich korrekt biegt und sich dabei loslässt, können die Übungen Schultervor, Schulterherein und Travers vorerst in kurzen Reprisen folgen. Dabei muss ich stets spüren in welchem Tempo und Biegegrad das Pferd sein Balance unter mir halten kann. […] Wer Seitengänge zu früh verlangt, das Pferd dabei festhält und krampfhaft zur Seite drückt bringt es aus dem Takt und hemmt seinen Schwung, so dass es seine Balance verliert und die Vorwärts-Seitwärts-Bewegung nicht mehr fließend ausführen kann.  


Sich Zeit lassen in der Ausbildung Defizite, die sich durch Nachlässigkeit in die Ausbildung von Reiter und Pferd eingeschlichen haben, brauchen ihre Zeit zur Aufarbeitung. Dazu braucht es alterfahrene Ausbilder, welche die Nachwuchsreiter an die Hand nehmen und es fordert ebenso von jedem fortgeschrittenen Reiter Disziplin, Selbstkontrolle und den Willen, stets weiterlernen zu wollen. Jeder Reiter muss von ganzem Herzen dafür einstehen, sein Pferd nicht möglichst schnell auszubilden, sondern ihm die nötige Zeit zum Reifen zu geben. Es geht nicht darum, dass ein Pferd um jeden Preis schnellstmöglich alle Übungen zeigt, sondern darum, dass während seiner Grundausbildung die Losgelassenheit seine ständige Begleiterin war. Erst wenn sich ein Pferd in jeder Grundgangart und jeder kleinen Übung losgelassen hat, darf sein Reiter mit ihm zur nächsten Übungsstufe übergehen.


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