Aufrechterhaltung, Förderung und Vermittlung der klassischen Reiterei

Dr. Dagmar Ciolek

Hier noch einmal ein älterer Beitrag von mir zum wichtigen Thema, was zu tun ist, wenn ein Pferd dauerhaft zu eng eingestellt geht, über die Ursachen und die Lösungsmöglichkeiten, Und nein, das hat mit "Rollkur" überhaupt nichts zu tun, denn Rollkur ist ein bewusstes eng und tief einstellen der Pferde, um diese besser unter Kontrolle haben zu können. Zu eng im Hals oder Genick kann dagegen jedem Reiter fast jedes Pferd mal werden, es kommt immer darauf an, ob dies so gewollt ist oder ob man bewusst versucht, dies wieder abzustellen, zu verbessern. Besonders schwierig wird es, wenn junge Pferde mit leichtem Genick von Beginn an gelernt haben, so zu laufen, meist eher hoch und eng eingestellt und vorwärts strampelnd mit festgehaltenem Rücken, denn dies führt auf Dauer zu echten Rückenschäden im Sinne von Kissing spines zum Beispiel. Und nein, das ist keine Schwarzmalerei, das ist mittlerweile eine Tatsache und ein erschreckend häufiger Befund. Hat man solch ein dauerhaft enges Pferd übernommen, dann ist großer Sachverstand gefragt, dies wieder zu korrigieren. Denn diese Pferde können den Rücken nicht öffnen! Erste "Reiterpflicht" sind dann korrekte Longenarbeit und immer wieder die Dehnungsbereitschaft abzufragen und auszulösen und viel einhändig zu reiten.

Leider laufen mittlerweile grad im Sport viele, viele junge Pferde so, so dass es vielen schön völlig normal erscheint, die Wahrnehmung ist da mittlerweile komplett verschoben.

       

Hier nochmal mein alter Beitrag zum Thema:

       

Das Pferd hinter dem Zügel, fehlende Anlehnung, falscher Knick. Keine Dehnungsbereitschaft an die Hand heran.

       

Wie ist das Problem zu lösen?

       

Ein Thema, welches nicht mit 3 Sätzen zu beantworten ist.

Wie immer, es kommt zunächst darauf an, die Ursache zu finden.

Warum dehnt das Pferd sich nicht vertrauensvoll an die Hand heran?

In den meisten Fällen ist dies "angeritten" durch zu viel Handeinwirkung zu Beginn oder im Verlauf der Ausbildung. Es wurde zu wenig auf Zwanglosigkeit, Takt und Ruhe bei der Arbeit geachtet, die Pferde wurden überfordert.

Andere Ursachen: 

Keine ausreichende Gewöhnung an das Gebiss im Vorfeld.

Rückenprobleme aller Art, das Pferd verspürt Schmerzen beim Dehnen.

       

Auch exterieur- und interieurbedingte Gründe kann es geben. (leichtes Genick und eine gewisse Veranlagung sich in Stresssituationen eher zu verhalten und eng zu werden).

Unpassender Sattel, nicht passende Zäumung, nicht passendes Gebiss.

Schlechte Hufstellung, Zahn- und Zahnungsprobleme.

Das Pferd nimmt die vorwärtstreibenden Hilfen nicht an.

Der Reiter hat sein Pferd nicht "am Sitz"!

Das Pferd hat Balance- und/oder Taktprobleme, eilt unter dem Reiter weg und verkriecht sich dabei.

Alles kann vorkommen und je nachdem muss man die Korrektur danach ausrichten.

       


Nun ist das Kind, respektive Pferd in den Brunnen gefallen und nun, was tun?

Ist die Ausrüstung passend und das Pferd sonst gesund, dann am besten ganz von vorn wieder beginnen.

Bei Zwanglosigkeit und Takt ohne jegliche Beizäumung und das zunächst an der Longe und am besten am hingegebenen Zügel mit ruhigem Führpferd im Gelände.

Longieren über Stangen und Cavaletti in ruhigem und taktmäßigem Tempo und Takt, zunächst durchaus auch nur am Kappzaum mit blind eingeschnalltem Gebiss.

Hat das Pferd wieder gelernt, in Zwanglosigkeit den Hals locker fallen zu lassen, dann beginnt man im Trab! mit sehr lang verschnallten leichten Ausbindern. An denen das Pferd einen Kontakt finden kann.

Es kann sein, dass dies bei sehr maulempfindlichen Pferden aber nicht ans Ziel führt.

Dann sollte man es vorsichtig unter dem wirklich sehr gut geschulten Reiter versuchen, der dem Pferd wirklich zunächst in der Maulbewegung perfekt folgen kann.

Denn eines darf nie passieren, wenn das Pferd den Kontakt herstellen möchte. Die Hand darf nicht agieren, sondern immer nur reagieren und dem Maul des Pferdes folgen, damit es wieder Vertrauen in die Reiterhand fasst.

Sehr hilfreich für viele Pferde ist auch eine einhändige Zügelführung(immer die erste "Notfallmaßnahme"!) und ein Gebiss, das wirklich ruhig im Maul liegt. Früher wurde aus diesem Grund das hannoversche Reithalfter verwendet und zumeist einfach gebrochene, nicht zu dicke und nicht zu dünne Wassertrensen.

       

Liegt das Problem eher in der Akzeptanz der vorwärtstreibenden Hilfen, so ist daran zu arbeiten, mit ruhiger Konsequenz und eindeutiger Hilfengebung.

Hat das Pferd ein Balanceproblem und eilt davon, ist es über den Sitz zu beruhigen und man sollte versuchen, über einen ruhigen Takt zur Zwanglosigkeit zu finden. Hierbei kann es helfen, auf gebogenen Linien zu arbeiten und viele Übergänge vom Schritt zum Trab zu reiten und auch das Übertreten lassen hilft vielen dieser Pferde, das Bein akzeptieren zu können und auch dadurch kann die Dehnungsbereitschaft ausgelöst werden.

Überhaupt ist das vorsichtige Übertreten lassen weniger Schritte oder Tritte sehr gut dazu geeignet, die Dehnungsbereitschaft an die Hand heran auszulösen. Diese muss aber vom Reiter dann auch zugelassen und angeboten werden.

Und dann gibt es noch die Pferde, bei denen auch diese Vorgehensweise nicht ans Ziel führt. Dann bleibt Folgendes: Im taktmäßigen Arbeitstrab die Verbindung von der tief stehenden,

auch schon mal breit getragenen Reiterhand aus herstellen, egal, wie eng das Pferd dabei wird und dann wirklich taktmäßig vorwärts zu reiten, bis das Pferd beginnt, an die Hand heranzutreten und man dann langsam aber wirklich ganz langsam ohne die Verbindung wieder aufzugeben mit der Hand wieder vorgehen kann, bis das Pferd die Anlehnung wieder akzeptiert.

       

Bei allen diesen Pferden ist auch später aber eines ganz, ganz wichtig. Der Reiter sollte möglichst nicht mit der Hand einwirken, sondern möglichst nur über den Sitz reiten. Die Hand des Reiters darf bei diesen Pferden eigentlich niemals zurückwirken, allenfalls aushaltend eingesetzt werden und auch das nur in Bruchteilen von Sekunden.

Denn diese Pferde werden immer auch in Zukunft mit einem "zu eng werden" reagieren, wenn Stress oder Aufregung oder zu viel Handeinwirkung hinzukommen.

       

Und dieses wirklich zu korrigieren ist meist nur sehr, sehr erfahrenen Reitern möglich und auch die brauchen vor allem dabei : Zeit und Geduld!


Nur in Ausnahmefällen, bei nur ganz kurzzeitigem Engmachen und bei einem stabilen, guten Rücken kann der sehr erfahrene Reiter auch kurzzeitig mit einzelnen aufrichtenden kurzen einseitigen leichten Zügelhebungen arbeiten, nach und bei denen aber sofort ein Nachtreiben und Vorlassen erfolgen muss.

Die Arbeit mit dem Aufsatzzügel zum Aufrichten der Pferde ist ebenfalls nur noch sehr selten anzutreffen und muss ebenso gekonnt sein.

       

P.S.: Jedes Pferd kann mal zu eng werden oder hinter die Senkrechte geraten, das ist auch nicht schlimm, wenn man darauf entsprechend reagiert. Sofort das Pferd wieder vorlässt und/oder eine Pause macht…..

       

Aber auch auf von hinten nach vorne gerittene halbe oder ganze Paraden reagieren viele Pferde mit einem Aufrichten und auch mit einem Öffnen des Genickes, wenn die Hand dabei nicht rückwärts wirkt und das Pferd sich durch die versammelnde Wirkung der Übung hinten mehr setzt und vorn aufrichtet und man dies auch zulässt!

       

Bei allem ist sehr wichtig, dass man immer auf die ungehinderte Tätigkeit der Rückenmuskulatur achtet. Diese darf sich weder verspannen, noch in der Aktivität nachlassen, sie muss sich ungehindert an- und wieder entspannen können. Dann kann man sitzen, dann ist die HH aktiv und dann ist das Pferd auch jederzeit bereit, sich nach VA und an die Hand heran zu dehnen. Und das ist dann auch

      

        Im Sinne der Pferde.

       

     


     

       

         


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